Das Armenhüsli

Armut

Das Armenhüsli

Die Armut unter den Menschen reicht weit zurück, wohl seit bürgerliche Gesellschaften mit Privateigentum bestehen. Genauso alt aber ist der Gedanke, dass denjenigen, denen es besser ergeht, eine gewisse moralische Verpflichtung für das Wohlergehen der Armen zukommt.

Beispielsweise finden wir schon im Alten Testament die Aufforderung des Jesaja, „an die Hungrigen dein Brot auszuteilen“ und „die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen". Die christliche Kirche knüpfte an dieses Gedankengut an.


Klösterlicher Besitz und Einfluss

Wie im Mittelalter oft der Fall, gelangten auch Wettswiler Fronhöfe durch Schenkung – im vorliegenden Fall durch die Herren von Sellenbüren – an verschiedene Klöster:

1184 finden wir einen Hof als Wettswilare im Güterverzeichnis des Klosters Engelberg aufgeführt und 1280 wird ein zweiter Hof mit dem Kloster St. Blasien im Schwarzwald in Verbindung gebracht. Nachdem die hohe Gerichtsbarkeit schon 1414 an Zürich übergegangen war, erwarb die Stadt 1532/33 auch noch die niedere Gerichtsbarkeit, und zwar von Jakob Effinger, dessen vermögender Vorfahre, Heinrich Effinger (1403-1477), die Vogtei dem Kloster Engelberg 1466 abgekauft hatte. Fortan gehörte Wettswil endgültig zur Zürcher Herrschaft, kirchlich aber seit jeher zu Stallikon. Seit dem 12. Jahrhundert besass das Kloster St. Blasien die Kollatur der Kirche Stallikon, d. h. das Recht, in Stallikon Abgaben einzuziehen und den Pfarrer einzusetzen, aber auch die Pflicht, die Kirche und das Pfarramt zu unterhalten. Die Kollaturrechte konnten von Zürich erst 1812 erworben werden.


Fürsorge durch Kirche und weltliche Obrigkeit

Nach der Reformation waren die Pfarrer auch Diener der Obrigkeit und unterstanden deren Aufsicht. Dem Pfarrer oblag es daher auch, die Verhältnisse in den einzelnen Haushaltungen regelmässig aufzunehmen und bei Bedürftigkeit Unterstützungsempfehlungen an die „Herren von Zürich“ zu richten. Diese legten dann die Art und den Umfang der Zuwendungen fest.

So erfahren wir aus dem Wettswiler Armenverzeichnis von 1649, dass Verena Hitz nach dem Tod ihres Mannes Hans Bliggensdorfer armengenössig wurde. „Sie besass zwar ein eigenes Haus und einen Baumgarten, in dem unter den Bäumen genügend Gras wuchs, um eine Kuh zu ernähren, doch lag auf ihrem Gut eine Schuldsumme von 200 lb (Pfund). Es war ihr nicht einmal möglich, ihre Kinder für den Winter dürftig zu kleiden. Zur Frage, ob sie eine Unterstützung verdiene, schrieb der Stalliker Pfarrer in seiner Empfehlung an die Obrigkeit: ‚Sy (ist) 51 Jahr alt, spindt, ist sunst from und gottesfürchtig’.“Über den Schuhmacher Anton Baur und seine Frau weiss der Pfarrer dagegen wenig Erfreuliches zu berichten: „1649 erfährt man, dass Anton Baur … ein halbes Haus besass und ‚mehr schuldig (ist), dann er weiss zu zahlen’. Er habe nie anständig wirtschaften wollen, weshalb‚er ein beschwerd (Belastung) syn muss’.“ Die Ehefrau Kathrin Haegi „sei ‚ein böse gotlose schelkin und müssiggengerin, spint zwaren, aber nur so vil sy lust hat’.“ Immerhin erhielten Anton Baur und seine Frau trotz des unvorteilhaften Berichts Schuhe und Strümpfe für den Winter; Elf Jahre später wurde das Ehepaar mit wöchentlich zwei Broten und monatlich 10 s (Schillinge; 10 s entsprachen ½ Pfund) von der Stadt Zürich versorgt; ausserdem erhielt es einige Gaben aus dem Kirchengut.


Armenpflege

Nach Inkrafttreten der kantonalzürcherischen Verfassung 1830/31 schwand der kirchliche Einfluss zusehends, während der staatliche zunahm. Die Armenpflege bildete zwar bis 1985 ein eigenständiges Organ, arbeitete aber je länger, je mehr auf Weisung der politischen Gemeinde.

Per 1. Januar 1986 wurde das Armengut in die Rechnung des politischen Gemeindeguts integriert. Bleistiftzeichnung von Harry Steinmann.1942 konnte die Armenpflege den linken Teil des als „Armenhüsli“ bekannten Wohnhauses an der Stationsstrasse3 aus einer betreibungsamtlichen Versteigerung erwerben. Bewohnt wurde das Haus in jener Zeit von einem Mann, welcher im angebauten Schopf weisse Mäuse züchtete, die er dem Zürcher Zoo und der Universität zu Fütterungs- bzw. Forschungszwecken veräusserte. Im Sommer muss von dieser Mäusezucht jeweils ein fürchterlicher Gestank ausgegangen sein. Das Haus wurde indessen nie für lange Zeit zur Unterbringung Bedürftiger verwendet; oft stand es leer. Seit 1974 dient es der Gemeinde als Dienstwohnung zur Unterbringung von Gemeindearbeitern. Inzwischen wird die Wohnung an Dritte vermietet.


Standort

Schautafel 3, Armenhüsli, Stationsstrasse 3

Das Armenhüsli